Zu den kämpferischen Anfängen des Schriftsteller-Gesprächs im Radio um 1930
Als das Radio 1923 in Deutschland auf Sendung ging, war es ein monologisches Medium: Es wurden Texte gelesen und Musik gespielt. Das änderte sich erst Ende der 20er Jahre mit dem langsamen Einzug des Gesprächs. Da die Zensur weder politische Sendungen noch die Befragung von Politikern erlaubte, wurden Gespräche mit Schriftsteller*innen zu einem beliebten Sendeformat, um unter dem Deckmantel der Kultur politische Themen zu verhandeln. Im Vortrag werden die beiden frühesten als Audiodokument erhaltenen Radiogespräche vorgestellt und (in Ausschnitten) vorgespielt: Im ersten äußern sich die Schriftsteller Gottfried Benn und Johannes R. Becher 1930 auf eine für heutige Ohren befremdliche Weise über den Zusammenhang von Dichtung und Politik. Im zweiten Gespräch, ebenfalls 1930 gesendet, leisten sich der erfolgreiche Dramatiker (und Sozialist) Ernst Toller und der nationalsozialistische Theaterkritiker Alfred Mühr einen Schlagabtausch, der die Zuhörer – darunter Joseph Goebbels – so begeisterte, dass er kurze Zeit später auch in Buchversion erschien.